Generalversammlung 2022

Hofburg Wien

Standing Ovations für Holocaust-Überlebende Gerda Frey

Am 15. Juni 2022 fand in der Wiener Hofburg die Generalversammlung der Österreichischen Freunde von Yad Vashem statt. Nahezu 500  Mitglieder und geladene Gäste nahmen an der Mitgliederversammlung im prunkvollen Zeremoniensaal teil. Die Bundesregierung war durch Europaministerin Mag.a Karoline Edtstadler, Justizministerin Dr.in Alma Zadic sowie Bildungsminister Univ.Prof. Dr. Martin Polaschek vertreten. Bundespräsident Dr. Alexander van der Bellen sandte eine Videobotschaft.  
Auch Botschafter aus mehreren Ländern sowie viele prominente Gäste nahmen an der Veranstaltung teil. Aus Yad Vashem Jerusalem war Deputy Managing Director Frau Zohar Neumann angereist. Festrednerin des Abends war die Holocaust-Überlebende Gerda Frey, die sich als kleines Kind zusammen mit ihren Eltern 9 Monate lang in einem beengten Zimmer und zuletzt in einem Keller verstecken musste, um der Deportation zu entgehen.

Nach der Begrüßung der Ehrengäste durch Ursula Arthofer verwies der Vorsitzende des Freundeskreises, Ing. Gustav Arthofer, in seiner Rede auch auf die wachsende Zahl antisemitischer Übergriffe in Österreich. Mit einer Zunahme um 65 Prozent binnen eines Jahres sei ein trauriger Höchststand erreicht. Der Vorsitzende zeigte sich erfreut über die mehr als 200 SchülerInnen im Publikum. Er empfahl den jungen Menschen einen Besuch in Yad Vashem.

Yad Vashems Abgesandte Zohar Neumann erzählte die berührende Geschichte Esther Rifkas und ihres Bräutigams Israel Wagner, die 1946 in Salzburg heirateten. Die zwei hatten sich bereits vor Kriegsausbruch verlobt, wurden jedoch in der Schreckenszeit der Shoah getrennt. Beide überlebten und fanden einander auf wundersame Weise wieder. Ihre Geschichte sei wie Millionen anderer ein Faden im Teppich der jüdischen Geschichte. Yad Vashem erhalte jedes einzelne dieser Schicksale für die kommenden Generationen.

Israels Botschafter Mordechai Rodgold erwähnte die Leidensgeschichte seiner eigenen Familie. Sein Urgroßvater und vier von dessen fünf Kindern wurden ermordet. Die enorme Zahl der vernichteten Menschen sei unfassbar, aber hinter jedem Ermordeten stehe ein ganz  persönliches Schicksal. Rodgold dankte Gerda Frey dafür, dass sie die Geschichte für junge Menschen greifbar mache. Er würdigte auch das Engagement der Bundesregierung sowie das des Freundeskreises.

Bildungsminister Dr. Martin Polaschek bezeichnete die Kooperation mit Yad Vashem als großes Anliegen seines Ministeriums. In zwei Jahrzehnten seien mehr als 800 österreichische Lehrkräfte in Yad Vashem geschult worden. Polaschek sprach sich für eine weitere Vertiefung der Zusammenarbeit aus.

Justizministerin Dr.in Alma Zadić dankte den Österreichischen Freunden von Yad Vashem für ihre unermüdliche Arbeit, die eine tragende Säule in Österreich sei. Antisemitismus stelle eine der bedauerlichsten Konstanten in der Geschichte Österreichs dar, so Zadić.
Sie versprach eine Novelle des Verbotsgesetzes, um Lücken zu schließen.

Wenn Jüdinnen und Juden nicht ohne Gefahr auf die Straße gehen können, dann sei unsere Demokratie und Gesellschaft in Gefahr, so Europaministerin Mag.a Karoline Edtstadler, die in Vertretung von Bundeskanzler Karl Nehammer gekommen war. Das dürfe und werde man nicht zulassen. Österreich sei eines der ersten EU-Länder mit einer nationalen Strategie gegen Antisemitismus. Die österreichische Bundesregierung habe sich zum Ziel gesetzt, jüdisches Leben zu fördern.

In einer Videobotschaft dankte Bundespräsident Univ.Prof. Dr. Alexander van der Bellen den Österreichischen Freunden von Yad Vashem. Menschenverachtung, Rassismus und Antisemitismus dürfen niemals wieder als politisches Instrument eingesetzt werden, so der Bundespräsident.

Die Holocaustüberlebende Gerda Frey stellte gleich zu Beginn ihrer Rede Parallelen zwischen den Ukraine-Flüchtlingen und ihrer eigenen Flucht und Todesangst her. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht entschlossen sich die Eltern der damals Eineinhalbjährigen zur Flucht von Mattersburg nach Transkarpatien, wo ein Teil ihrer Familie lebte. Gerda Frey zeigte dem Publikum ein Foto von  ihrer dortigen Kindergartengruppe. Sie war die einzige Überlebende, alle anderen wurden später nach Auschwitz deportiert und ermordet. Das bereitet ihr bis heute ein schweres Gewissen. Einer christlichen Familie aus Budapest, die sie und ihre Eltern in einem kleinen Zimmer ihrer Wohnung und zuletzt im Keller versteckte, verdankt Gerda Freys Familie ihr Leben. Nach sieben Jahren Flucht, davon zehn Monate in akuter Todesgefahr, konnte Gerda mit ihren Eltern nach Mattersburg zurückkehren.
Auch wenn man den Holocaust mit nichts vergleichen  könne, sei es schlimm genug, wenn jemand heute auch nur einen Hauch von diesem Leid erleben müsse, so Frey.
Die Holocaust-Überlebende erntete minutenlang Standing Ovations für ihren berührenden Lebensbericht.

Die Generalversammlung wurde von der Opernsängerin Zoryana Kushpler und dem Pianisten Simon Raab musikalisch herausragend umrahmt.
Bei einem Buffet und vielen anregenden Gesprächen fand die Mitgliederversammlung ihren Ausklang.

[ Georg Schuster ]

 

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